Havelland Radweg
roße Waldgebiete, weite Felder und Wiesen in einer dünn besiedelten Region: das ist das Havelland westlich von Berlin. Eine beschauliche und ruhige Landschaft, die von der letzten Eiszeit ausgeformt wurde. Von den Erhebungen der flachwelligen Endmoränen ergeben sich wunderschöne Ausblicke über die reizvolle Umgebung. Der 115 Kilometer lange Havellandradweg führt quer durch diese malerische Kulturlandschaft, die Theodor Fontane mit seiner Ballade vom Herren von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland bekannt gemacht hat. Er startet im sachsen-anhaltinischen Schollene und verläuft dann durch den Naturpark Westhavelland über Rathenow, der Stadt der ersten maschinellen Brillenherstellung, Ribbeck und Nauen, der Stadt der ersten Funkstation der Welt, quer durch Brandenburg bis in das pulsierende Berlin-Spandau – oder umgekehrt. Heiter ist das Routenlogo: ein lustiger, roter Vogel mit weißer Kappe und dickem Schnabel radelt über einen grünen Hügel. Zu seinen Füßen – bzw. zu seinen Krallen schlängelt sich die blaue Havel. Die Radroute wird vom Tourismusverband Havelland e.V. betreut.
Charakteristik:
Trotz der eiszeitlichen leicht welligen Moränenlandschaft sind kaum nennenswerte Steigungen zu bewältigen. Der Radweg gilt als hervorragend ausgebaut mit fast durchgängig separaten Radwegen. Er führt überwiegend über asphaltierte und/oder straßenbegleitende Radwege, nur kurzzeitig auch über wenig befahrene Landstraßen und großformatiges Betonpflaster und ist damit im höchsten Grade familienfreundlich. Die Strecke ist auch für Rennradfahrer und Radler mit Anhängern tauglich.
Der Havellandradweg eignet sich auch gut als Alternativstrecke zum Havel-Radweg oder gemeinsam mit dem Havel-Radweg als Rundkurs mit dem Start- und Endpunkt Berlin.
Ortschaften entlang der Route
Schollene / Rathenow / Stechow-Ferchesar / Kotzen (Havelland) / Mühlenberge / Pessin / Paulinenaue / Nauen-Ribbeck / Nauen / Schönewalde-Glien / Berlin Spandau
Schollene
chollene liegt in der wunderschönen Flusslandschaft der Havel. Das waldreiche Gebiet befindet sich am Übergang vom Moor zur Heide und die Havel windet sich hier mit zahlreichen Schleifen durch das Land. Auch der Ortsname bezieht sich auf einen dieser Havelknicke. Er entstammt dem slawischen und bedeutet ‚aus dem Knie‘, da der Flussverlauf hier die Form eines Knies beschreibt. Um das 4. Jahrhundert herum hatten die Wenden, ein slawischer Volksstamm, begonnen, in dieser Region zu siedeln. Im späten 8. Jahrhundert wurden sie jedoch durch Karl den Großen unterworfen und christianisiert.
Das spätbarocke Schloss wurde 1752 erbaut, wobei die Seitenflügel erst später ergänzt wurden. Heute gehört das Anwesen zu einem Seniorenwohnpark. Auf dem Gelände der alten Zotzmann’schen Brauerei befindet sich die vom Heimatverein betriebene Museumsscheune mit einer heimatkundlichen Ausstellung. Nicht weit davon entfernt thront auf dem Mühlenberg eine historische Bockwindmühle. Sie wurde 1845 erbaut, aber in den 1940er Jahren zu einer Motormühle umgerüstet. 1967 wurde der Betrieb endgültig eingestellt. Nach einer umfassenden Sanierung erstrahlt sie wieder im alten Glanz.
Durch die reizvolle Umgebung von Schollene führen mehrere Rad- und Wanderwege, darunter auch der NaturaTrail am Schollener See. Das Naturschutzgebiet ist bekannt für seine artenreiche Vogelwelt und seine Pelosevorkommen. Pelose ist ein Schlamm, der sich in rund 10.000 Jahren aus abgestorbenen Algen gebildet hat. Um 1920 erkannte man die heilende Wirkung und begann, den Peloseschlamm aus dem See zu fördern. Er wird als Packung im Kurbetrieb, in Sanatorien und Krankenhäusern angewendet. Die reichhaltigen Vorkommen im Schollener See sind übrigens noch lange nicht erschöpft.
Sehenswertes:
Radrouten die durch Schollene führen:
Rathenow
athenow gilt als Wiege der industriellen Optik in Deutschland, denn hier wurde im frühen 19. Jahrhundert die erste Schleifmaschine zur rationellen Herstellung von Brillengläsern entwickelt – der Beginn der optischen Industrie. Das Kulturzentrum in der Innenstadt beherbergt ein Museum, das sich mit der Entwicklung dieses Industriezweiges in Deutschland befasst. Auch das Kreismuseum besitzt neben einer großen Anzahl von ur- und frühgeschichtlichen Exponaten eine umfangreiche optische Sammlung. Im Optikpark Rathenow steht das Rolfsche Fernrohr, auch Rathenower Refraktor genannt. Das um 1950 erbaute Teleskop ist das einzige seiner Bauart weltweit und kann als technisches Denkmal besichtigt werden. Der Optikpark wurde auf dem Gelände der Landesgartenschau errichtet, die 2006 unter dem Motto ‚Den Farben auf der Spur‘ stattfand. In der restaurierten Mühle, die als Geschäftsstelle der Gartenschau fungierte, befindet sich heute eine Musikschule. Zum Gelände der Landesgartenschau gehörte auch der Weinberg, auf dem der 1914 fertiggestellte Bismarckturm steht. Auch 2015 findet ein Teil der Landesgartenschau wieder in Rathenow statt, wenn der offizielle Gastgeber die Havelregion ist. Leider ist die Havel in den letzten Jahrhunderten stark begradigt worden. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte soll sie aber großflächig renaturiert werden und seine ursprüngliche Gestalt wiedererlangen.
Die Stadt Rathenow wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe stark zerstört, so dass in der Innenstadt kaum noch historische Bausubstanz erhalten blieb. Nur im Bereich der St.-Marien-Andreas-Kirche haben sich noch ein paar Fachwerkhäuser erhalten. Auch die Kirche, die Anfang des 13. Jahrhunderts im spätromanischen Stil erbaut worden war, wurde schwer beschädigt und nach dem Krieg wiederaufgebaut. Sehenswert ist das Denkmal für den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Das größte barocke Sandsteindenkmal Norddeutschlands wurde 1736 bis 1738 errichtet und erinnert an die siegreiche Schlacht von Fehrbellin im Jahre 1675 gegen die Schweden.
Sehenswertes:
Radrouten die durch Rathenow führen:
Stechow-Ferchesar
n einer wald- und seenreichen Gegend des Havellandes liegt die Gemeinde Stechow-Ferchesar. Erst im Jahr 2002 hatten sich die beiden zuvor selbstständigen Dörfer Stechow und Ferchesar zusammengeschlossen. Ferchesar ist ein ehemaliger Luftkurort und liegt am idyllischen Havelsee Hohennauener-Ferchesarer See, der auch einen kleinen Yachthafen besitzt. Der Ort wird geprägt von alten Fachwerkhäusern, von denen einige noch aus dem 17. Jahrhundert stammen. Die Dorfstraße wird gesäumt von einem uralten Linden- und Kastanienbaumbestand. Beide Ortsteile besitzen noch eine alte Dorfkirche. Die Fachwerkkirche in Ferchesar wurde 1735 fertiggestellt. Zu ihrer Inneneinrichtung gehört ein spätgotischer Flügelaltar aus dem 15. Jahrhundert. Der charakteristische Zwiebelhelm ist allerdings neueren Datums. Er wurde dem Turm erst Anfang des letzten Jahrhunderts aufgesetzt. Die gotische Dorfkirche in Stechow geht im Kern noch auf das 13. Jahrhundert zurück, wurde aber im 18. Jahrhundert wesentlich umgestaltet. Dabei entstand auch der Fachwerkturm mit seiner barocken Haube.
Sehenswertes:
Kotzen (Havelland)
ie kleine Gemeinde mit dem unappetitlichen Namen (was die Einwohner hier als gar nicht so schlimm erachten) wurde 2003 aus den zuvor selbstständigen Ortschaften Kotzen, Kriele und Landin gebildet. Jedes dieser Dörfer besitzt noch eine alte sehenswerte Kirche. Das Gotteshaus in Kotzen entstammt noch der Gotik, wurde aber 1711 erheblich umgebaut. 1764 wurde die barocke Orgel eingefügt. Die im 14. Jahrhundert errichtete Kirche in Kriele ist die älteste Backsteinkirche im Havelland, während die Dorfkirche in Landin erst im frühen 18. Jahrhundert entstand.
In Kotzen gibt es noch einen sehr alten Baumbestand mit mehreren hundertjährigen Eichen und Robinien, zu denen auch die wunderschöne Eichenallee im Ortskern gehört. Beliebte Ausflugsziele sind das Wildgehege und der Aussichtspunkt ‚Hoher Rott‘.
Sehenswertes:
Mühlenberge
m Ostrand des Ländchens Friesack liegt mitten im Havelland die noch junge Gemeinde Mühlenberge. Erst im Jahr 2002 hatten sich die zuvor selbstständigen Dörfer Haage, Senzke und Wagenitz zu einer Gemeinde mit neuem Namen zusammengeschlossen. Alle drei Dörfer besitzen noch eine alte Kirche aus dem 17. Jahrhundert. Das Gotteshaus in Haage ist wegen der aufwendigen Innenausstattung aus dunklem Eichenholz sehenswert. Diese hatte bis in die 1930er Jahren noch die Döberitzer Dorfkirche geschmückt und war erst danach nach Haage gekommen. Die Kirche von Wagenitz ist ausgeschmückt mit Votivmalereien aus dem 17. Jahrhundert, die in Senzke besitzt reichhaltige Bauernmalereien sowie eine Apsis nach Schinkel’schem Vorbild.
Im Jahre 1587 wurde die Schlossanlage in Wagenitz fertiggestellt. Vom massiven Herrenhaus und den Wirtschaftsgebäuden ist nichts mehr erhalten – bis auf den sogenannten Schwedenturm. Dieses merkwürdig aussehende turmartige Gebäude entstand 1571 als freistehender Küchenbau für das Schloss. In dieser Zeit wurden die Küchen häufig getrennt vom Herrenhaus errichtet, um dieses im Falle eines Feuers nicht zu gefährden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Schwedenturm noch zu Wohnzwecken genutzt, heute ist er bei Störchen als Nistplatz beliebt. Darüber hinaus beherbergt er ein kleines Bauernmuseum.
Im Gegensatz zum Herrensitz in Wagenitz hat sich das Schloss in Senzke erhalten. Es war im 18. Jahrhundert als Rittergut der Herren von Bredow entstanden und wurde im 19. Jahrhundert nochmals spätklassizistisch ausgebaut.
Sehenswertes:
Pessin
m westhavelländischen Ländchen liegt in leicht welliger Umgebung die kleine Gemeinde Pessin. Einst gab es hier acht Rittersitze, von denen sich alleine sieben im Besitz der Familie von Knoblauch befanden. Die Eigentümer des achten Gutes waren die Herren von Bredow. Beide Familien gehörten dem niederen märkischen Adel an. Heute ist noch eines dieser Gutshöfe erhalten. Es wurde 1419 vermutlich auf den Grundmauern einer älteren Burganlage errichtet. Neben diesem Knoblauch’schen Herrensitz wurde auch die spätgotische Dorfkirche im 15. Jahrhundert erbaut, besitzt aber noch wesentlich ältere Bauteile. Die Feldsteinkirche gilt als der älteste Kirchenbau im Westhavelland. Der untere Teil des Kirchturmes entstammt noch dem 13. Jahrhundert, während das östliche Kirchenschiff und der Querturm erst im 18. Jahrhundert erbaut wurden und der Backsteingotik zugeordnet werden.
Sehenswertes:
Paulinenaue
ie Gemeinde Paulinenaue liegt in inmitten der ruhigen Moor- und Wiesenlandschaft des Havellandes. Der Ortsname ist allerdings noch gar nicht so alt. Als Friedrich Wilhelm von Knoblauch im Jahre 1833 das Herrenhaus erbauen ließ, nannte er das Anwesen seiner Ehefrau Pauline von Bardeleben zu Ehren ‚Paulinenaue‘. Bereits im 15. Jahrhundert hatte an gleicher Stelle eine Meierei gestanden, um die herum sich das Dorf entwickelt hatte. Das Schloss wurde im frühen 20. Jahrhundert noch einmal erheblich umgebaut und beherbergt heute mehrere altersgerecht eingerichtete Wohnungen. Ortsprägend ist für die Gemeinde neben dem Gutshof das klassizistische Empfangsgebäude der ehemaligen Eisenbahnkolonie, das 1847 erbaut und 1883 nochmals erweitert wurde.
Zur Gemeinde Paulinenaue gehört das Dorf Selbelang mit seinem Schloss, das aus einem ehemaligen Rittergut hervorging und der 1440 erbauten St. Nikolaikirche, die einen Altar von 1717 und eine Orgel von 1804 beherbergt.
Sehenswertes:
Nauen-Ribbeck
heodor Fontane hat dem Ort, der 2003 nach Nauen eingemeindet wurde, mit seinem Gedicht ‚Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland‘ ein Denkmal gesetzt. Generationen von deutschen Schülern haben diese Reime auswendig lernen müssen, die übrigens auf einer wahren Begebenheit beruht. Der berühmte Birnbaum aber, der daeinst aus dem Ribbeck’schen Grab entsprang, ist inzwischen selber lange abgestorben. Er wurde – der Legende wegen – durch einen neuen Birnbaum ersetzt. Aber auch der Friedhof bei der Dorfkirche und damit das Grab des Herren von Ribbeck existiert heute nicht mehr. Dennoch ist ein Teil des originalen Birnbaumes noch erhalten: ein Stumpf wird in einer Ecke der Dorfkirche bewahrt und kann dort noch besichtigt werden. Die Kirche ist im Kern noch mittelalterlich, wurde aber 1722 weitgehend umgestaltet. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Kirchenschiff nochmals verlängert. Unter dem Gotteshaus befindet sich die Familiengruft derer von Ribbeck. Das stolze Schloss wurde 1893 im neubarocken Stil als Nachfolgebau eines adligen Landhauses errichtet. Bis 1947 blieb das Schloss im Familienbesitz, dann wurde es durch den DDR-Staat enteignet. Heute bewohnt die Familie zwei Häuser im Dorf, von denen eins das alte Doppeldachhaus aus dem Gedicht Fontanes sein soll. Eigentümer des Schlosses ist heute der Landkreis Havelland. Gleich neben dem Anwesen befindet sich der Familienfriedhof derer von Ribbeck.
Weitere Sehenswürdigkeiten des Dorfes sind das Alte Waschhaus, in dem sich heute ein Hofladen befindet, die Alte Brennerei sowie die Alte Schule, in der heute ein historischer Klassenraum besichtigt werden kann und die auch ein kleines Café beherbergt.
Theodor Fontane
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit,
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Thurme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: „Junge, wist’ ne Beer?“
Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb’ ne Birn.“
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit,
Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit in’s Grab.“
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht
Sangen „Jesus meine Zuversicht“
Und die Kinder klagten, das Herze schwer,
„He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?“
So klagten die Kinder. Das war nicht recht,
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er that,
Als um eine Birn’ in’s Grab er bat,
Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung’ über’n Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: „wiste ne Beer?“
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: „Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew’ Di ’ne Birn.“
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.