Die Frage nach der Immunität
In Berlin erhitzte in der letzten Woche ein tödlicher Unfall mit einem Radfahrer die Gemüter. Ein Autofahrer hielt im Stadtteil Neukölln mit seinem Wagen im absoluten Halteverbot auf einem Radfahrstreifen. Er riss plötzlich und abrupt seine Tür auf, worauf ein Radfahrer nicht mehr bremsen konnte und gegen die Tür prallte. Der Radfahrer trug keinen Helm und erlag am folgenden Tag seinen schweren Verletzungen.
Normalerweise würde der Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung angeklagt werden. In diesem Fall aber geht das nicht, denn der Autofahrer ist ein Mitarbeiter der saudischen Botschaft und als Diplomat genießt er Immunität. Das Verfahren wurde sofort eingestellt.
Besitzen Diplomaten also Narrenfreiheit? Müssen sich Botschaftsangehörige überhaupt nicht an Verkehrsregeln halten?
Offensichtlich ist das so, denn die Zahl der erfassten durch Diplomaten begangenen Verkehrsdelikte ist in den letzten Jahren stark gestiegen. In Berlin waren es im Jahr 2005 6908, im Jahr darauf bereits 10.181 und 2016 wurden insgesamt 22.880 Delikte gezählt. Die Botschaftsangehörigen aus Russland, China und den USA fielen dabei besonders negativ auf – vor allem durch überhöhte Geschwindigkeit und Falschparken.
Wieso aber gibt es die diplomatische Immunität?
Vom Prinzip her ist diese durchaus wichtig, denn ausländische Diplomaten müssen einen besonderen Schutz genießen, um beispielsweise in Diktaturen nicht aus politischen Gründen willkürlich belangt zu werden. Diese Rechtsauffassung gilt international bereits seit Jahrhunderten und wurde in den 1960er Jahren im Wiener Abkommen endgültig festgelegt. Leider ist es nicht möglich, zwischen Verkehrsdelikten und anderen Vergehen eine Grenze zu ziehen. Trotzdem, so hieß es aus dem Bundesaußenministerium, missbillige man ausdrücklich, dass die Immunität in Deutschland von hier tätigen ausländischen Diplomaten missbraucht wird.
Die saudische Botschaft hat inzwischen ihr Bedauern über den Vorfall ausgedrückt. Eine genauere Stellungnahme zu dem Unfall steht jedoch noch aus. Solange das so ist, werden auch keine weiteren diplomatischen Instrumente bemüht – denn diese wären durchaus denkbar. So kann die Aufhebung der Immunität beantragt werden, eine Abberufung gefordert werden, ein Diplomat als unerwünscht erklärt werden oder ihn im Extremfall auszuweisen.
NUR: das alles macht den Radfahrer leider nicht mehr lebendig!!