„Schafe haben Sie genug gesehen…!“

„Schafe haben Sie genug gesehen…!“

Der Weser-Radweg gilt als einer der schönsten und beliebtesten Radfernwege in Deutschland. Beginnend im romantischen Weserbergland mit seinen märchenumwobenen Burgen und Orten, vorbei durch die Porta Westfalica in die Region der Mittelweser bis in die pulsierende Hanse- und Hafenstadt Bremen, wo man die ersten dicken Ozeanriesen beobachten kann. Dann am Deich der Unterweser entlang bis nach Bremerhaven und abschließend der Außenweser folgend bis nach Cuxhaven. Eine tolle und abwechslungsreiche Route!

Probleme mit Übernachtungen hatte ich dabei zunächst nie, denn die Infrastruktur am Radfernweg funktioniert gut: Schilder am Wegesrand weisen auf Hotels und Pensionen hin, die sich im nächsten Ort oder auch erst in 20 Kilometer Entfernung befinden. Im Zeitalter des mobilen Telefons kann man spontan sein Hotel via Handy buchen und dann entspannt noch zwei Stunden bis zum Zielort weiterradeln.

Nach einer etwas weniger aufregenden Fahrt hinterm Deich der Unterweser gab es eine Unzahl von Schafen zu beobachten, die mir mit stoischem Blick hinterher schauten und durch ihre mehroktavigen ‚Mäh‘s‘ eine typische und nervige Geräuschkulisse erzeugten, die mir noch heute in meiner Erinnerung höchst lebendig durch den Kopf dröhnt! Bei Nordenham setzte ich auf die andere Weserseite nach Bremerhaven über. Dort in der Stadt wollte ich aber nicht nächtigen, obwohl es schon relativ spät war. Ich träumte mehr von einem kleinen idyllischen Fischerhafen, einem farbenprächtigen Sonnenuntergang am Sandstrand der hier beginnenden Nordsee und von beschaulicher Ruhe. Wremen, ein kleinen Touristenort gleich im Norden von Bremerhaven, sollte meiner  phantasiereichen Vorstellung doch weitgehend entsprechen – so vermutete ich es zumindest. Kurz vor 7 Uhr abends kam ich an. Ein Ort voller Fremdenbetten! Aber hier mitten im Sommer ein freies Bett zu ergattern, das war gar nicht so einfach! Die Anbieter von Ferienwohnungen wollten nicht für eine einzige Übernachtung vermieten (gibt einfach zu wenig Geld) und die Hotels waren voll! Man schickte mich von Pension zu Pension, aber vergeblich – alles war ausgebucht! Gefrustet schob ich mein treues Rad durch den gar nicht mehr so positiv wirkenden Ort und überlegte mir meine Alternativen: weiterfahren mit dem Risiko, weiterhin kein freies Hotelbett zu finden? Zurückfahren nach Bremerhaven? Mit dem Taxi ins Landesinnere? Ich wollte fast schon aufgeben, da sah ich plötzlich hoffnungsvoll ein gelbes Schild leuchten: ‚Ferienwohnung‘ stand darauf und darunter prangte ein Fahrradsymbol! Na, da versuchst Du es jetzt noch einmal! Und ich hatte Glück!

Ein freundlicher Herr begrüßte mich. Er war selber passionierter Radfahrer. ‚Mutig‘, meinte er, ‚in dieser Gegend um diese Uhrzeit noch nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen!‘ – Ja, das war mir allerdings auch bereits aufgefallen! Erst schickte er mich gezielt zu einem Restaurant und empfahl mir exakt, was ich dort  bestellen könnte bzw. sollte. Und nach dem Essen lud er mich noch einmal zu sich in seine Stube ein, schließlich war seine Frau gerade nicht zuhause und ihm war offensichtlich langweilig. Hier entwickelte sich nun ein angeregt munteres, heiteres und sehr langes Gespräch unter Rad-Enthusiasten! Ums kurz zu erwähnen: weder Strand noch Sonnenuntergang habe ich an diesem Abend gesehen!

Zwischen all den lustigen Anekdoten, Weisheiten und Dönekes, die sich nun wechselseitig ergaben, gab er mir aber für den nächsten Tag noch einen höchst nützlichen Tipp: ‚Der Weg führt die nächsten Kilometer leider immer hinterm Deich lang. Aber Schafe haben Sie heute genug gesehen!‘ Stimmte exakt, Schafe gab es auf der Strecke wirklich genügend! Aber woher kannte er nur meine Gedanken?? Und so empfahl er mir augenzwinkernd einen wenig genutzten Weg zwischen dem Deich und dem Wasser. ‚Der ist nicht ausgeschildert, aber man darf ihn als Radfahrer benutzen. Er ist viel interessanter und schöner als die offizielle Wegführung! Und er führt immer nahe an der Küstenlinie entlang bis kurz vor Cuxhaven! Verfahren kann man sich also nicht!‘

So führte mich meine Wegstrecke am nächsten Morgen abseits der Schafherden direkt an der Außenweser zum Endziel des Weser-Radweges an der Kugelbake in Cuxhaven.

Und was ist die Moral von dieser Geschichte?

Man darf nie die Hoffnung aufgeben, auch wenn es bereits sehr unwahrscheinlich erscheint, eine freie Übernachtungsmöglichkeit zu finden! Die Radfahr-Gemeinschaft ist größer als man denkt! Irgendwo wird einem geholfen, an irgendeinem Ort wird man gastfreundlich aufgenommen! Irgendwie wird immer alles gut!!

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