Rückenwind auf dem Deich!

Rückenwind auf dem Deich!

(Der Wümme-Radweg, Teil 1)

Die Wümme ist ein merkwürdiger Fluss! Er besitzt keine Quelle, bei der das Wasser aufgeregt aus dem Boden sprudelt, sondern nur ein Quellgebiet. Hier entwässert er die Heide rund um das Dorf Wilsede. Fällt längere Zeit kein Regen, so fällt auch der anfänglich unscheinbare Graben vollständig trocken – wie unspektakulär!

Die Wümme besitzt auch keine Mündung. Bei Bremen-Nord vereinigt sie sich mit der Hamme und bildet fortan die Lesum, die dann – 9 Kilometer weiter – bei Vegesack in die Weser mündet. Zwischenzeitlich verzweigt sich der Flusslauf und bildet mit drei Hauptarmen und einer Vielzahl von Kanälen ein verwirrendes labyrinthisches Wassergeflecht.

Zwischen Ritterhude und Lilienthal jedoch stellt die Wümme einen Fluss dar, wie man sich ihn vorstellt: kurvenreich schmiegt er sich in die flache, norddeutsche Landschaft, flankiert von Deichen und mit jeder Menge Schilf an den Ufern. Hier bildet die Wümme, die hier sogar noch schiffbar ist, die Grenze zwischen Niedersachsen und dem Stadtstaat Bremen. Im Norden befindet sich das St. Jürgensland, im Süden das Bremer Blockland. Der Wümme-Radweg bietet die Möglichkeit, auf beiden Seiten dem Fluss zu folgen. Ich wähle die Bremer Seite. Auf der Deichkrone rolle ich auf einem gut ausgebauten asphaltierten Weg in Richtung Osten. Es ist Samstagvormittag, Ende Juli. Noch ist es recht kühl, aber die Sonne scheint und ich habe Rückenwind – ideales Radfahrwetter! Den Schildern nach sind es nur sechs Kilometer bis zum Bremer Hauptbahnhof – dem Zentrum einer Halbmillionenmetropole. Überraschenderweise befinde ich mich jedoch mitten auf dem Land, umgeben von Wiesen, Weiden und Bauernhöfen! Nur ganz fern am Horizont erspäht man über das platte Land vereinzelnd die Häuser der Großstadt – sie erscheinen Welten entfernt! Nun, Bremen ist ein dünner, aber langer Schlauch an der Weser. Das Blockland ist der Fläche nach der mit Abstand größter Stadtteil. Nach Einwohnern ist er – wiederum mit Abstand – ihr kleinster! Gerade mal 420 Menschen leben hier – da zählt jede Seele! (Offiziell besitzt das Blockland keinen Stadtteil-Status und ist daher nur ein Ortsteil Bremens – aber wer wird denn schon so kleinlich sein…)

Bedingt durch die Nähe zur Freien Hansestadt ist hier schon relativ viel los: Spaziergänger mit und ohne Hund, Skater, Radausflügler sowie Radsportler, die die Vormittagsstunde noch einmal zur Tempo-Ausfahrt nutzen, bevor gegen Mittag Scharen von Naherholungssuchenden den Deich bevölkern und das hindernislose Radfahren vollständig unmöglich machen! In den Biergärten der Cafés und Restaurants breitet man schon mal die Tischdecken aus, denn bei dem Wetter wird es heute einen Ansturm geben – man wird ein sehr gutes Geschäft machen!

Das wunderschöne und weitgehend naturbelassene flache Moorgebiet an der Wümme mit ihren Fleets und Wettern ist neben der Heide der landschaftliche Höhepunkt des Wümme-Radweges. Hier macht das Radfahren richtig Spaß! Hügel oder Berge gibt es hier nicht. Die einzig nennenswerten Steigungen notiert mein bikeline-Führer an den Brücken über die Eisen- oder Autobahn – damit kann man auch mit schwerem Gepäck problemlos leben!

Der Wümme-Radweg besteht aus einer Nord- und einer Süd-Route, die beide jeweils gut 100 Kilometer lang sind. Drei Tage später war ich wieder hier, um am Nordufer auf niedersächsischer Seite zum Startort Vegesack zurückzufahren. Die Nordseite ist nicht ganz so schön, denn die Straße führt hinter dem Deich entlang und gibt so keinen Blick auf den Fluss frei. Der Weg ist gepflastert mit roten Ziegelsteinen, die noch (aufgepasst!) aus dem vorletzten Jahrhundert stammen! Der Zahn der Zeit hat der Straße ordentlich zugesetzt: sie hat sich stark zu beiden Seiten gesenkt, wurde teilweise mehrfach übereinander mit Asphalt ausgebessert und besitzt eine Vielzahl von Löchern und Furchen – mal ganz abgesehen von der ständigen Rüttelei, die ein solcher Belag schon im Normalfall einfach mit sich bringt. Historisch mag die Pflasterung wertvoll sein, aber meinem Hintern, der immerhin gut 200 Kilometer in drei Tagen auf dem Sattel ausgesessen hatte, tat er gar nicht gut… Auch der Wind hatte sich nicht gedreht und das bedeutete zu meinem großen Bedauern: er kam nunmehr genau von vorne und war ziemlich frisch und böig! Aber so ist es nun mal beim Fahrradfahren: mal kommt der Wind von hinten, mal kommt er von vorne – am Ende gleicht sich alles aus!

Hinterlasse einen Kommentar