Wo man große Pötte mit kleinen Rädern überholen kann

Wo man große Pötte mit kleinen Rädern überholen kann

Die Nord-Ostseekanal-Route ist ein Radfernweg der extremen Ansichten und Bilder. Man durchfährt dabei ein Wechselbad der Eindrücke. Da rollt man arglos durch die beschauliche, bäuerliche Dorfidylle. Man holpert über Schotter und durch Schlaglöcher. Autos sind hier eher selten – in der Acker- und Wiesenlandschaft begegnen einem eher Trecker mit ihren polternden Dieselmotoren, die modernen Zugpferde der Bauern. Hier läuft alles gemächlich und langsam ab – der stadthektische Mensch wird entschleunigt! Rotbunte Rinder verfolgen mich mit ihren Kuhaugen wiederkäuend und vereinzelt kräht stolz ein Hahn. Und dann erreicht man den großen Kanal. Darauf schieben sich dumpf grummelnd mächtige Schiffslaiber in gemächlicher Fahrt vorbei. Der Nord-Ostsee-Kanal ist die meist befahrene Schifffahrtsstraße der Welt, noch vor dem Panama- und dem Suezkanal! Die Schiffsaufbauten und geschichteten Containerladungen ragen weit in die Höhe. Der Radfahrer staunt Bauklötze: Weltschifffahrt in der Provinz!

So interessant der internationale Schiffsverkehr auch sein mag: man folgt nicht nur schnurgerade dem Verlauf des Kanalufers. Dafür wäre der Nord-Ostseekanal auch zu kurz und die Umgebung hält durchaus sehenswerte Besonderheiten bereit. Die Kanallänge zwischen Brunsbüttel an der Elbe und Kiel an der Förde misst gerade einmal 99 Kilometer. Immer wieder verlässt die offizielle Radroute die Wasserstraße und führt den Radler in weiten Schlaufen in die ländliche Umgebung. Vorbei an stattlichen Holländer-Windmühlen, ausgedehnten Moorgebieten und Relikten aus der Steinzeit. So dehnt sich der Radfernweg auf eine Länge von 315 Kilometern.

Der Nord-Ostsee-Kanal wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut und ist seitdem mehrfach verbreitert und vertieft worden, sodass die Wasserstraße heute auch von den riesigen Kreuzfahrtschiffen genutzt werden kann.

Die wenigen Brücken schlagen in schwindelnden Höhen einen Bogen über den Kanal. Unter ihnen gleiten die Ozeanriesen gefahrlos hindurch, obwohl ihre Ausmaße denen von Hochhäusern gleichen.

Bei Rendsburg, der nach Kiel größten Stadt am Kanal, müssen die Züge, wenn sie den Bahnhof verlassen haben, erst über eine riesige Schleife Höhe gewinnen, um den Kanal zu überqueren! Die Kreisstadt an der Eider besitzt mit der Schwebefähre eine kuriose Sehenswürdigkeit. Die Fähre hängt an langen Drahtseilen und wird regelmäßig hin- und hergezogen. Eine Mitfahrt ist ein besonderes Erlebnis und ein Muss für jeden Radtouristen. Die Überfahrt kostet nichts. Das hat Tradition. Als der Kanal Ende des 19. Jahrhunderts durch Kaiser Wilhelm II. eröffnet wurde, verfügte der marinebegeisterte Monarch, die Kanalüberführung ist kostenfrei. Das hat sich auch bis zum heutigen Tage nicht geändert. Die Radroute nutzt das aus und wechselt häufig die Seiten.

Gleich neben der Fähre liegt die ‚Schiffsbegrüßungsanlage‘. Ein alter Seebär kündigt den Gästen in einem Café die durchfahrenden Schiffe über eine Lautsprecheranlage an.

An beiden Kanalufern führen einspurige Dienstwege direkt am Wasser entlang. Radler und Fußgänger dürfen sie nutzen. Auf ihnen lässt sich die Nord-Ostsee-Kanal-Route beliebig verkürzen. Vorgänger des Nord-Ostsee-Kanals war der Eiderkanal, der von Kiel bis Rendsburg führte, wo er in die Eider mündete. So war bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert die Passage von der Nordsee in die Ostsee möglich. Erbaut wurde der Kanal einst vom dänischen König, denn zu diesem Zeitpunkt gehörte der größte Teil von Schleswig-Holstein noch zu Dänemark. Überreste vom ehemaligen Eiderkanal und von den historischen Schleusenanlagen kann man auf der Radroute noch entdecken.

Vier Tage Radeltour bei prächtigem Wetter liegen hinter mir, da erreiche ich das Kanalende an der Schleuse in Kiel. An der Förde empfangen mich die ‚Gorch Fock‘, das prächtige weiße Segelschulschiff der Bundesmarine, ein riesiges AIDA-Kreuzfahrtschiff und eine gigantische schwedische Passagierfähre, die sich gerade rückwärts langsam aus dem Hafen heraustastet, sich dann gemächlich um die eigene Achse dreht, Fahrt aufnimmt und dann auf Kurs geht.

Ein breiter angelegter Radweg führt mich direkt an der Förde entlang über mehrere Kilometer geradewegs ins Stadtzentrum. Das Ende einer aufregenden und tollen Tour, die sehr viel Spaß gemacht hat!

3 Kommentare

  • geschrieben 5. September 2014

    Thomas Terbeck

    Der Nord-Ostseekanal steht schon länger auf meiner „to-radel-Liste“. Netter Bericht!

  • geschrieben 6. September 2014

    Radpilot

    Danke! Die NOK-Route hebt sich tatsächlich stark von anderen Radrouten ab! Hat einen wirklich eigenen & spannenden Charakter – quasi ein Geheimtipp!

  • geschrieben 7. September 2014

    Andreas Reinhold

    Sollte Ich mal wieder in der Heimat sein.Ist die Tour gebongt.Klingt vielversprechend.

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