Grenzerfahrung in wunderschöner Landschaft: die Hochrhön
Ich wuchte mich, mein Fahrrad und mein Gepäck über die hessische Hochrhön. Der Ort Wüstensachsen liegt hinter mir und auf der Karte zeigen dreieckige Pfeile, dass es hier lange und erheblich bergauf geht.
Eine Fliege gesellt sich als Mitfahrer zu mir und setzt sich genau auf meine Karte. Bei der langsamen Geschwindigkeit am Berg wird sie ja auch nicht vom Fahrtwind vertrieben. Sie schimmert leicht bläulich und scheint die Wegstrecke, die jenseits der Thüringer Hütte hinein nach Bayern führt, intensiv studieren zu wollen. Gemächlich tapst sie der rot eingezeichnete Linie entlang. Doch die Route scheint ihr doch nicht so recht zu gefallen! Nach drei bis vier Minuten macht sich wieder auf und entschwindet in Sekundenbruchteilen aus meinem Sichtfeld. Sehr lang war unsere gemeinsame Wegstrecke nicht – sie wird den Weg zurück nach Hause finden.
Die Wälder der Rhön sind kühl und erscheinen schon fast düster. Der diesjährige August ist eigentlich von besonderer Hitze geprägt. Das Wetter ist aufgelockert und schön – und die Landschaft ist traumhaft. Allerbeste Bedingungen für das Radwandern. Neben mir rauscht die Ulster. Ihre Quelle liegt am Heidelstein in rund 815 m Höhe nur zwei Kilometer entfernt. Trotzdem bahnen sich bereits reichliche Wassermassen ihren Weg durch das steinige Geröll des Waldes. Der noch junge Flusslauf hat hier bereits eine tiefe Furche im Hang hinterlassen.
Inzwischen zeigt mir die Karte das elfte von insgesamt dreizehn Dreiecken an. Die meisten Anstiege scheine ich geschafft zu haben. Aber ich wundere mich, welchen besonderen Abschnitt diese Dreieckspfeile symbolisieren sollen. Eigentlich geht es hier stetig und fortwährend immer nur bergauf! Mein Tacho zeigt gerade mal 7 km/h, manchmal auch nur 5 – da ist man ja fast zu Fuß schon schneller! Und jetzt wechselt der Belag auch noch vom Asphalt zum Schotter, was die Sache auch nicht einfacher macht! Glücklicherweise weht der Wind von hinten und es geht keuchend weiter den Berg hinauf – Meter für Meter, Pedalumdrehung für Pedalumdrehung, dem höchsten Punkt entgegen. Eine gefühlte Ewigkeit!
Die Kühe schauen mich wiederkäuend, verständnislos und doch neugierig an, als wollten sie mich fragen: ‚Was machst Du denn hier?‘ Obwohl ich den Rhön-Radweg fahre, begegne ich hier oben keinem anderen Radwanderer mehr. Nur der ein oder andere Mountainbiker hat sich hier in die Hochrhön gewagt, ansonsten ist hier keine Menschenseele. Die Grillen zirpen aufgeregt am Wegesrand, aber so viel ist sicher: sie sind weniger aus der Puste als ich! Vor mir steht ein Sendemast. Aus dem Tal hatte ich schon respektvoll zu ihm aufgeschaut – nun bin ich ihm schon recht nahe gekommen. Viel weiter hoch wird es nicht mehr gehen.
Endlich, an der Grenze zu Bayern, wo der Naturpark ‚Hessische Hochrhön‘ nahtlos in das bayrische Naturschutzgebiet ‚Lange Rhön‘ übergeht, erreiche ich ein weites Hochplateau mit ausgedehnten Wiesen und relativ wenig Bäumen. Jetzt kann ich mein treues Radl rollen lassen. Phasenweise geht es sogar etwas abwärts, bis ich die Thüringer Hütte erreiche. Hier gibt es einen gigantischen Fernblick über die bayerische Umgebung nach Süden – eine tolle Entschädigung für alle Mühen und Qualen. Diesen Ausblick genieße ich mit einer bayerischen Leberknödelsuppe und Thüringer Bratwürsten – nur das Hessische kommt bei dieser Mahlzeit zu kurz. Zu mir gesellt sich ein Pärchen, das – wie klein ist doch die Welt – aus einem Nachbarort meiner nördlichen Heimat stammt! Die beiden machten nach einer ausgedehnten Wanderung auf der vollen Terrasse Pause. Und ich wundere mich, wo auf einmal die vielen Menschen herkommen, die man zuvor doch überhaupt nicht gesehen hatte!
Nach meiner Rast stürze ich mich mit einer saustarken Sausefahrt aus der Hochrhön wieder hinab! Fünfeinhalb Kilometer bei 10% Gefälle – das hat riesig großen Spaß gemacht!!
Fazit: Für Radwanderer ist der Rhön-Radweg eine tolle Strecke in einer wunderschönen Landschaft mit atemberaubenden Ausblicken – aber man sollte genügend Kondition oder ein E-Bike/Pedelec mitbringen!
1 Kommentar
Jakob Weber
Interessanter Bericht! Da liegen Glück und Schmerzen dicht beieinander!