Liebe Rad-Fahrende und Zu-Fuß-Gehende
Wer aufmerksam die Zeitung liest, Radio hört, oder das Fernsehen verfolgt, der hat es schon längst gemerkt: sozial korrekte Zeitgenossen definieren die Wirklichkeit immer wieder neu. Und sie tun das mit missionarischem Eifer. Ihre Kritik speisen die notorischen Besserwisser zumeist aus dem links-intellektuellen Mutterboden längst überholter Ideologien. Damit haben sie mittlerweile eine neue Schutzkultur geschaffen, die autokratisch jede persönliche Handlungsfreiheit unterbindet und alles verbietet, was sie nicht vorher ausdrücklich erlaubt hat.
„Altweibersommer“ und „Negerkuss“, „Zigeunerbaron“ und „Ausländerheim“ beispielsweise seien aus dem allgemeinen Sprachschatz zu streichen, fordern die verbalen Gesinnungswächter mit Empörungs-Abo. Denn Weiber und Neger, Zigeuner und Ausländer seien abwertende Begriffe, auch wenn sie sich geschichtlich entwickelt haben, zum deutschen Stammwortschatz gehören und seit Generationen von Denkern und Schreibern völlig wertfrei genutzt werden. Nichts da! wettern die moralinsauren Tugendwächter und schulmeistern eine ganze Volksgemeinschaft: Sprache drücke eine Gesinnung aus. Und die bediene sich schamlos der Sprache, um zu unterdrücken. Und das entspringe einem dekadenten Herrschaftsdenken.
Die selbsternannten Inquisitoren wachen mit Argusaugen über die Reinheit der Sprache, wie sie sie verstehen. Im Grenzfall funktionieren sie die Sprache um zum Exerzierfeld für eine absolutistische Gesellschaftskritik, die keine andere Meinung neben sich gelten lässt. Dank willfähriger Mitläufer und pseudo-intellektueller Schreiberlinge hat sich mittlerweile ein „machtvolles Meinungskartell“ (Jörg Schönbohm) aufgebaut. Diese eingeschworene Gemeinschaft von „Hyperkorrekten“ (Joachim Gauck) nimmt in vorauseilendem Gehorsam alles in den Blick, was irgendjemandem, irgendwo, irgendwann, irgendwie einmal sauer aufstoßen könnte und belegen es als „Unwort“ mit dem Bann des Ungehörigen.
Um Schwulen und Lesben gerecht zu werden, wird heutzutage nicht mehr geheiratet, man „verpartnert“ sich neuerdings. Die ewig um ihren Vorteil heulenden Feministinnen werden verbal getröstet, indem man jede auch nur im Entferntesten an Männer erinnernde Form aus dem begrifflichen Wortschatz streicht. Die feministische Linguistik hat eine geschlechtsneutrale Sprache durchgesetzt, bei der die handelnden Personen in den Hintergrund treten. Alles ist sexus-neutral, Geschlechter-fair und gendergerecht. Die überarbeitete Straßenverkehrsordnung bedient sich gehorsam diesem Sprachmodell. Da gibt es neben Geh- und Funktions-Behinderten, die Fahrzeug-Führenden und Reitenden. Den Begriff „Radfahrer“ hat man durch „Rad-Fahrende“ ersetzt und die Fußgänger werden zu „Zu-Fuß-Gehenden“. Der Mensch wird versächlicht, reduziert auf sein äußerlich wahrnehmbares Verhalten, mit dem er sich ganz neutral durch das poppig bunte Schilderlabyrinth des grauen Verkehrsalltags bewegt.
Neger – von niger (lat.) = schwarz – laufen jetzt als „Maximalpigmentierte“ durch Afrika, im gut bürgerlichen Restaurant bestellen wir ein „Roma- und Sinti-Schnitzel“ mit Pommes, boykottieren den „Zigeunerbaron“ im Theater und rufen ganz zuletzt unsere lieben Kleinen – ganz „social correct“ – als „Spielende“ von der Straße.
Bleibt eigentlich am Ende nur noch sach- und sprachgerecht – DAS Fahrrad! Na, bitte,– geht doch!
1 Kommentar
Hans
Sehr schöner Beitrag, dem man als Abschlussbetrachtung noch hinzufügen könnte“ Einfach nicht mitmachen“. Dazu gehört aber auch,dass man zu dem steht,was man sagt,leider trauen sich viele das nicht,weil viele eben nur eine Meinung und keine Überzeugung haben,was bereits Stefan Zweig feststellte. Was übrigens auch gut funktioniert ist,wenn man bestimmte Worte aus anderen Sprachen leiht. Jenachdem,was ich gerade brauche,verwende ich mal Worte aus dem Spanischen,Russischen oder Englischen.